Eigentlich bin ich nur hingefahren, weil das dortige Postamt 1150 eines der wenigen mit extrem liberalen Öffnungszeiten ist. Montag bis Sonntag, täglich 0700 bis 2200 - das steht einfach für sich. Mit anderen Worten: ich war in Sachen Webshop unterwegs.
So eine Reise zum Westbahnhof triggert eine ganz ordentliche Emotions- und Erinnerungskaskade. Beachtlich, was ich hier schon alles gesehen und erlebt habe.
Die paradoxe Reise mit K. nach Ungarn - von Wien West nach Budapest Ost.
Unzählige Male jemanden zum Bahnsteig bringen, Abschied nehmen. Manchmal inklusive Tränen. (Ich bin ganz schlecht im Abschied nehmen. Allein seit ich Renee kenne verbessert sich da was bei mir - die Frau ist so häufig unterwegs, dass ich teilweise gar nicht mitbekomme, dass sie nicht da war. Das wirft ein völlig neues, "unnötiges" Licht aufs Abschiednehmen.)
Menschen abholen vom Zug. Freude. Wiedersehensfreude. Ganz selten aber auch:"Schaaas. I mag ned zum Bahnhof fahren und blöd warten."
Selber wegfahren oder ankommen. Weit weg fahr ich ja eh nie. Das ist auch gut so. Wien braucht mich.
Dann gibts natürlich auch noch die Veränderung. Die ÖBB haben ja signifikante Kohle in den Westbahnhof gepumpt. Drum schaut es dort auch ein bisschen besser aus als, sag ma, am Praterstern. Dort gibts nicht nur die Lounge für Vorteilskartenbesitzer, es gibt erwähntes Postamt. Es gibt WLAN-Accesspoints. Undundund. Flatscreens, wo die Zugauskünfte obenstehen. A waunsinn.
Früher, da ich dem Nikotine noch nicht entsagt hatte, war die ortsansässige Trafik eine Segnung unvorstellbarer Natur. Die hat nämlich nicht nur einfach offen, wenn andere längst zu haben, nein! - die haben auch noch alles, was einem den Abend retten kann. Auch Wuzltabak und Papierl.
Der dortige Supermarkt konnte auch bereits das eine oder andere Mal aus der Patsche helfen.
Total wichtig als ich von der Provinz nach VIE kam war die Entdeckung, dass man in der Anonymität der Großstadt in Verbindung mit übergroßer Auswahl ganz easy an jedes beliebige Pornomagazin der Welt kommen konnte. Hier prägend war für mich das Zeitungsgschäft am Westbahnhof. Mir sind die Augen förmlich aus der Verankerung gepoppt. Was es da alles gab - von "*n*le Teens" bis "XXX Film Reviews" war alles vertreten, von dem ich bis dahin nur gerüchtehalber gehört hatte - und noch vielviel mehr. Inzwischen ist aus dem Zeitschriftenhandel auch eine kleine, gar nicht so schlechte Buchhandlung geworden. Vor allem eine unüblich große Sektion an Audiobooks findet man dort. Heute wurde mir bewußt, daß ich dort noch nie ein einziges Buch gekauft habe. Ich beschloß in spontaner Reue, mich zu bessern, und kaufte um 5,10 Euronen Dürrenmatt's "Der Richter und sein Henker". Nicht weil ich's nicht kenne (ich hab alle Werke von old Friedl gelesen, was schreib ich, aufgefressen hab ich sie!), sondern weil mir meins irgendwie abhanden kam. Vielleicht sollte ich mir wirklich aufschreiben, wem ich was borge.
So ein Bahnhof zieht natürlich auch immer ein bissl finstere Gestalten an (und da mein ich nicht mal mich selbst). Vor vielen Jahren war die Gegend rund um den Westbahnhof das Rotlichtmilieu der Stadt, bevor man die Sache dezentralisiert hat und auf den Gürtel und das Stuwerviertel umverteilt hat. Sandler, Junkies, Freaks und anderes Gelichter gibts noch immer, aber die sind 'mostly harmless'. Solang man denen nicht blöd kommt kommen die einem auch nicht blöd.
Die wahrscheinlich irrste Geschichte hab ich dort für etwa 2 Sekunden gesehen, und in dem Moment wo ich sie sah hatte ich sie nicht einmal bewusst mitbekommen. Erst Minuten später sickerte in mein Bewusstsein durch, was da passiert war.
Gegenüber vom vorhin erwähnten Zeitungsshop gibt es heute einen Pizzaecken-Takeaway. Früher war da bloß eine Nische mit einigen öffentlichen Telefonen. Genau dort sah ich, es war ein warmer Spätfrühlingstag vor etwa 5 Jahren, ein Mädl mit ihrem Freund herumknutschen. Schon immer hatte ich dieses unglaubliche Talent, mir innerhalb von Sekundenbruchteilen Details merken zu können, die andere nie bemerken würden. Das Chemiestudium hat das sicher noch verbessert.
Ok. Da war ein Altersunterschied zwischen den beiden, zugegeben. Sie wird wohl Mitte 20 gewesen sein, er Mitte 30. Die Outfits waren eher inkompatibel - er im dunkelblauen Anzug, sie im Lederrock. Ein ganz kleines bisschen zu verrucht, zu schlampig für ihn und für die Gegend sowieso. Sie küssten ziemlich leidenschaftlich, voll Emotionen und Drang. Die beiden gehören zusammen, das sah man sofort. Komisch, dass sie so merkwürdig verdreht zueinander dastanden - also wenn ich jemanden küsse dann steh ich direkt vor derjenigen, nicht irgendwie seitlich.
Das Detail, das ein bissl gebraucht hat, bis ichs geschnallt habe: die Lederberockte hatte den Schwanz des Anzugträgers in der Hand und holte ihm in der vermeintlichen Diskretion der Nische, aber dennoch öffentlich, einen runter.
Westbahnhof, world of wonders.
So eine Reise zum Westbahnhof triggert eine ganz ordentliche Emotions- und Erinnerungskaskade. Beachtlich, was ich hier schon alles gesehen und erlebt habe.
Die paradoxe Reise mit K. nach Ungarn - von Wien West nach Budapest Ost.
Unzählige Male jemanden zum Bahnsteig bringen, Abschied nehmen. Manchmal inklusive Tränen. (Ich bin ganz schlecht im Abschied nehmen. Allein seit ich Renee kenne verbessert sich da was bei mir - die Frau ist so häufig unterwegs, dass ich teilweise gar nicht mitbekomme, dass sie nicht da war. Das wirft ein völlig neues, "unnötiges" Licht aufs Abschiednehmen.)
Menschen abholen vom Zug. Freude. Wiedersehensfreude. Ganz selten aber auch:"Schaaas. I mag ned zum Bahnhof fahren und blöd warten."
Selber wegfahren oder ankommen. Weit weg fahr ich ja eh nie. Das ist auch gut so. Wien braucht mich.
Dann gibts natürlich auch noch die Veränderung. Die ÖBB haben ja signifikante Kohle in den Westbahnhof gepumpt. Drum schaut es dort auch ein bisschen besser aus als, sag ma, am Praterstern. Dort gibts nicht nur die Lounge für Vorteilskartenbesitzer, es gibt erwähntes Postamt. Es gibt WLAN-Accesspoints. Undundund. Flatscreens, wo die Zugauskünfte obenstehen. A waunsinn.
Früher, da ich dem Nikotine noch nicht entsagt hatte, war die ortsansässige Trafik eine Segnung unvorstellbarer Natur. Die hat nämlich nicht nur einfach offen, wenn andere längst zu haben, nein! - die haben auch noch alles, was einem den Abend retten kann. Auch Wuzltabak und Papierl.
Der dortige Supermarkt konnte auch bereits das eine oder andere Mal aus der Patsche helfen.
Total wichtig als ich von der Provinz nach VIE kam war die Entdeckung, dass man in der Anonymität der Großstadt in Verbindung mit übergroßer Auswahl ganz easy an jedes beliebige Pornomagazin der Welt kommen konnte. Hier prägend war für mich das Zeitungsgschäft am Westbahnhof. Mir sind die Augen förmlich aus der Verankerung gepoppt. Was es da alles gab - von "*n*le Teens" bis "XXX Film Reviews" war alles vertreten, von dem ich bis dahin nur gerüchtehalber gehört hatte - und noch vielviel mehr. Inzwischen ist aus dem Zeitschriftenhandel auch eine kleine, gar nicht so schlechte Buchhandlung geworden. Vor allem eine unüblich große Sektion an Audiobooks findet man dort. Heute wurde mir bewußt, daß ich dort noch nie ein einziges Buch gekauft habe. Ich beschloß in spontaner Reue, mich zu bessern, und kaufte um 5,10 Euronen Dürrenmatt's "Der Richter und sein Henker". Nicht weil ich's nicht kenne (ich hab alle Werke von old Friedl gelesen, was schreib ich, aufgefressen hab ich sie!), sondern weil mir meins irgendwie abhanden kam. Vielleicht sollte ich mir wirklich aufschreiben, wem ich was borge.
So ein Bahnhof zieht natürlich auch immer ein bissl finstere Gestalten an (und da mein ich nicht mal mich selbst). Vor vielen Jahren war die Gegend rund um den Westbahnhof das Rotlichtmilieu der Stadt, bevor man die Sache dezentralisiert hat und auf den Gürtel und das Stuwerviertel umverteilt hat. Sandler, Junkies, Freaks und anderes Gelichter gibts noch immer, aber die sind 'mostly harmless'. Solang man denen nicht blöd kommt kommen die einem auch nicht blöd.
Die wahrscheinlich irrste Geschichte hab ich dort für etwa 2 Sekunden gesehen, und in dem Moment wo ich sie sah hatte ich sie nicht einmal bewusst mitbekommen. Erst Minuten später sickerte in mein Bewusstsein durch, was da passiert war.
Gegenüber vom vorhin erwähnten Zeitungsshop gibt es heute einen Pizzaecken-Takeaway. Früher war da bloß eine Nische mit einigen öffentlichen Telefonen. Genau dort sah ich, es war ein warmer Spätfrühlingstag vor etwa 5 Jahren, ein Mädl mit ihrem Freund herumknutschen. Schon immer hatte ich dieses unglaubliche Talent, mir innerhalb von Sekundenbruchteilen Details merken zu können, die andere nie bemerken würden. Das Chemiestudium hat das sicher noch verbessert.
Ok. Da war ein Altersunterschied zwischen den beiden, zugegeben. Sie wird wohl Mitte 20 gewesen sein, er Mitte 30. Die Outfits waren eher inkompatibel - er im dunkelblauen Anzug, sie im Lederrock. Ein ganz kleines bisschen zu verrucht, zu schlampig für ihn und für die Gegend sowieso. Sie küssten ziemlich leidenschaftlich, voll Emotionen und Drang. Die beiden gehören zusammen, das sah man sofort. Komisch, dass sie so merkwürdig verdreht zueinander dastanden - also wenn ich jemanden küsse dann steh ich direkt vor derjenigen, nicht irgendwie seitlich.
Das Detail, das ein bissl gebraucht hat, bis ichs geschnallt habe: die Lederberockte hatte den Schwanz des Anzugträgers in der Hand und holte ihm in der vermeintlichen Diskretion der Nische, aber dennoch öffentlich, einen runter.
Westbahnhof, world of wonders.
Fiercedragon - am Mo, 17. Jan. 2005, 21:50 - Rubrik: Begegnungen der anderen Art
la fille rousse meinte am 17. Jan, 23:24:
flatscreens
gibts auch am südbahnhof. jetzt nicht mehr nur für die schnellbahn sondern auch für den (über-)regionalen zugverkehr. die bildschirme sind klein und blau und die schrift darauf ist klein und weiß. die großen schwarzen tafeln mit den großen weißen buchstaben, die so schön übersichtlich waren, und bei denen man schon von weitem lesen konnte, wann dein zug wo wegfährt - die sind außer funktion. jetzt musst du dir deinen platz unter den schirmchen mühsam erkämpfen, kriegst einen schiefen hals vom raufschauen und siehst doch nix, weil sich das weiß vom blitzblau nicht so wirklich schön und klar abhebt.
aber hauptsache, modern.
scheiß öbb!
so viel dazu.
derartiges wie du oben beschreibst ist mir am tage noch nie untergekommen ... aber ich wurde schon mal zeuge einer nächtlichen sexszene im lift am mödlinger bahnhof. auch fein. :)
Fiercedragon antwortete am 18. Jan, 11:15:
naja, am westbahnhof gibts aber welche mit vernünftigerer farbgebung und halbwegs klug platziert. also so ganz mag ich mir die alte öbb nicht madig machen lassen ;)